Schätzungsweise 3000 Einsätze, Schäden in noch nicht bezifferter Höhe und Einsatzkräfte, die bis zur Erschöpfung gearbeitet haben: Die aufeinanderfolgenden Sturmlagen am vergangenen Wochenende waren in Intensität und dichter Abfolge bislang einzigartig. Glück im Unglück: Schwere Verletzungen waren nach ersten Erkenntnissen weder bei Einsatzkräften noch Bürgerinnen oder Bürgern zu beklagen.
Die Einsätze kamen mit Ansage. Die Wetterdienste warnten seit Mitte der Woche vor den heranziehenden Stürmen. So konnten die Leitstellen im Land ihre Personalplanung rechtzeitig anpassen: „Wir haben die Einsatzlage gut vorplanen können“, sagte Börje Wolfskämpf von der Kooperativen Rettungsleitstelle West in Elmshorn. Statt wie üblich mit sechs Disponenten in der Nacht wurden nun 22 Kräfte in die Leitstelle beordert. „Von Freitag 15 Uhr bis Samstag 12 Uhr haben wir rund 1300 sturmbedingte Einsätze und 500 Rettungsdienst- und sonstige Einsätze abgewickelt.“ Durchschnittlich sei jede Minute ein Notruf eingegangen, der auch umgehend in eine Alarmierung mündete. „Es hat für die Anrufer keine langen Wartezeiten gegeben“, so Wolfskämpf.
Auch die Feuerwehren stellten sich ein: So haben einige Kreise ihre Abschnittsführungsstellen aktivieren lassen, von denen die Einsätze in den Ämtern priorisiert und verteilt wurden um die Leitstellen zu entlasten, so z.B. in den Kreisen Plön und Rendsburg-Eckernförde und teilweise in den Gebietskörperschaften der KRLS West in Elmshorn, die für die Kreise Steinburg, Dithmarschen, Pinneberg und Segeberg zuständig ist.
Steinburgs Kreiswehrführer Frank Lobitz hatte seine Ämter zwar vorwarnen lassen, aber die Einrichtung der Abschnittsführungsstellen freigestellt. „Keiner wusste ja so richtig, was da auf uns zukommt. Wir hatten am Ende bis Samstagabend zwar rund 250 sturmbedingte Einsätze, aber es gab auch viele Wehren bei uns, die gar nicht alarmiert wurden.“ Als deutlich problematischer sah Lobitz die Hochwasserlage an Stör und Bramau an. Das zurückdrückende Wasser setzte wie schon so oft Teile der Stadt Kellinghusen unter Wasser. Mit dieser Lage sind Feuerwehr und Anwohner jedoch beinahe schon routiniert. Am Montag wurde der Pegelhöchststand erwartet.
In der Landesmitte kehrte erst am Samstagnachmittag Ruhe ein. Die IRLS Mitte zählte in der "Sonderlage Zeynep" 815 Einsätze. Davon entfielen 135 auf das Kieler Stadtgebiet, 360 auf den Kreis Rensburg-Eckernförde und 278 auf den Kreis Plön.
An vielen Stellen informierten sich auch Mandatsträger der Politik über die Arbeit der Feuerwehren. So besuchte beispielsweise im Kreis Segeberg Landrat Jan Peter Schröder die Technische Einsatzleitung in der Kreisfeuerwehrzentrale. Und in Norderstedt war auch Oberbürgermeisterin Elke Christina Roeder in der Fernmeldezentrale zugegen und machte sich auch an einer Einsatzstelle ein Bild der Lage.
Nicht nur an der Nordseeküste waren die Feuerwehren stark eingebunden – auch an der Ostsee gab´s Arbeit genug. Beispiel Scharbeutz: 44mal wurde die FF dort angefordert und arbeitete das ganze Spektrum unwetterbedingter Einsätze ab: Bäume entfernen, Baustellen absichern, Dachpfannen sichern und absperren. Aber auch über die Ortsgrenzen hinaus war die Wehr mit ihrer Drehleiter gefordert, z.B. in Neustadt, Ratekau, Gleschendorf und Schürsdorf. Überörtliche Einsätze fuhren auch zahlreiche andere Feuerwehren, die über Sonderfahrzeuge und -technik verfügen.
Stellvertretend für so viele dankt Scharbeutz´ Ortswehrführer Sebastian Levgrün seinen Kameradinnen und Kameraden: „DANKE für den unermüdlichen Einsatz und die Bereitschaft für unsere Bürgerinnen und Bürger da zu sein. Und ein Dank für die gute Zusammenarbeit mit unserer Leitstelle IRLS Süd - die Stimme des Notrufs.“
Dem starken Einsatzaufkommen zum Trotz gab es auch Bereiche im Land, in denen die Stürme wenig Arbeit bescherten. So blieb es im Nordbereich des Landes relativ ruhig. „Der Kelch ist an uns vorbeigegangen“, so Schleswig-Flensburgs Kreiswehrführer Mark Rücker. Zwar habe man alle Abschnittsführungsstellen einberufen, aber in der Nacht zum Samstag gab es lediglich 24 sturmbedingte Einsätze im ganzen Kreis. Auch in Flensburg und Nordfriesland blieb es vergleichsweise ruhig. „Bei aufkommendem Tageslicht am Samstag wurden dann noch ein paar Einsätze auf Nebenstraßen gemeldet, die in der Sturmnacht unbemerkt blieben“, so Rücker.
Am Montag - nachdem das dritte Sturmtief „Antonia“ abgezogen war - normalisierte sich die Lage peu a peu. Beeinträchtigungen auf Bahnlinien und im Fährverkehr waren noch den ganzen Tag zu spüren.
Doch statt Wind hatten es viele Feuerwehren dann plötzlich mit Wassermassen zu tun, die das Resultat langanhaltender Niederschläge waren. So fiel in Teilen des Landes bislang die dreifache Regenmenge als normal. Nicht nur in Kellinghusen und Umland, wo die Stör beinahe regelmäßig über die Ufer tritt, war das zu spüren. Größere Einsatzlagen wurden z.B. in Wassersleben bei Flensburg oder in Niendorf / Ostsee gemeldet. Hier konnte der vollgelaufene Hemmelsdorfer See sein Wasser nicht mehr in die Ostsee abfließen lassen und bedrohte die „Aalbeek-Siedlung“. Zusammen mit dem THW und den Wehren aus Oldenburg und Neustadt pumpen die Ortswehren der Gemeinde Timmendorfer Strand nun schon seit dem Wochenende gegen das Wasser an – bis zu 55.000 Liter pro Minute. Und Gemeindewehrführer Thomas Scharbau schätzt, dass dieser Zustand noch ein paar Tage andauert – je nach weiterer Wetterentwicklung.
„Auf unsere Einsatzkräfte ist Verlass. Ich danke jeder und jedem Einzelnen von Ihnen. Es ist eine besondere Herausforderung im Sturm zu arbeiten, wenn allen anderen geraten wird, besser im Haus zu bleiben. Dieser Einsatz für die Gemeinschaft ist unverzichtbar für unsere Gesellschaft. Es ist großartig, dass so viele Menschen bei uns in Schleswig-Holstein diese Aufgabe übernehmen.“, sagte Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack in Kiel.
Landesbrandmeister Frank Homrich lobte insbesondere die gute Zusammenarbeit mit allen anderen Hilfsorganisationen und den Leitstellen. Außerdem zeigte sich Homrich erleichtert, dass anscheinend keine Personen zu Schaden gekommen sind. „Der besondere Dank geht aber auch an die vielen Mitbürgerinnen und Mitbürger, die ihre Feuerwehren im Ort so zahlreich mit Verpflegung und warmen Getränken unterstützt haben. Auch den Arbeitgebern gilt ein besonderes Dankeschön. Die Anerkennung des Ehrenamtes hat in dieser Nacht sicher gewonnen“, so Homrich.
"Der Sturm wütete in der Nacht. Dadurch waren weniger Menschen unterwegs. Aber sicherlich haben sehr viele Menschen auch die Warnungen beherzigt und sind zuhause geblieben. Das war gut", sagt der Landesbrandmeister. Die Lage habe gezeigt, dass mit großflächigen Schadensereignissen auch in unserem Land jederzeit gerechnet werden muss. Das flächendeckende Netz der Feuerwehren hat dabei wieder einmal seine Unverzichtbarkeit unter Beweis gestellt. „Und dass der vom Land bereits im letzten Jahr vorgestellte Zehn-Punkte-Plan zur Stärkung des Katastrophenschutzes seine Berechtigung hat, dürfte wohl nun auch den letzten Zweifler überzeugt haben“, so Homrich.
Auch wenn die Lage jetzt wieder beruhigt ist, so warnen Feuerwehren und auch das Umweltministerium immer noch vor dem Betreten der Wälder. Denn noch immer können vom Sturm gebrochene Äste aus den Baumkronen herabfallen. Zudem können Bäume auch bei ruhigem Wetter in den nächsten Tagen aufgrund des aufgeweichten Bodens und angebrochener Stämme unvermittelt umstürzen. Für Laien sind viele dieser von Bäumen ausgehenden Gefahren nur schwer erkennbar. Es wird empfohlen, Wälder erst wieder mit einem gewissen zeitlichen Abstand nach Abklingen der Stürme zu betreten.
Fotos: Archiv LFV SH